Anwalt Missbrauchsdelikte

Missbrauch gibt es nach dem Gesetz zum einen an Kindern und Jugendlichen. Zum anderen liegt Missbrauch vor, wenn der Täter bestimmte Konstellationen ausnutzt, in denen das Opfer besonders schutzbedürftig ist. Das Wort „Missbrauch“ ist irreführend: Die Formulierung des Gesetzes erweckt den Anschein, dass eine Person missbraucht wird. Also dass eine Person sozusagen „fehlgebraucht“ wird. Hier würde das Opfer zum Objekt werden. Darum geht es gerade nicht. Bei den Missbrauchstaten wird bestraft, dass der Täter seine eigene Machtstellung missbraucht und zu sexuellen Handlungen am Opfer ausnutzt. Beim Vorwurf einer Missbrauchstat sollten Sie unbedingt einen Anwalt für Strafrecht kontaktieren. Die Verteidigung in Missbrauchsdelikten ist komplex – frühes Eingreifen ins Verfahren lohnt sich.

Missbrauch von Schutzbefohlenen

§174

Sexueller Mißbrauch von Schutzbefohlenen

(1) 1Wer sexuelle Handlungen

  1. an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,
  2. an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
  3. an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,

vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. 2Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(2) 1Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen

 

  1. an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
  2. unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.

2Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2

  1. sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder
  2. den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.

§174 StGB stellt den sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen unter Strafe. Tatopfer ist eine schutzbefohlene Person: Je nach Tatvariante muss diese zur Tatzeit unter 18 oder unter 16 Jahre alt sein. Das Gesetz schützt die sexuelle Selbstbestimmung eines Schutzbefohlenen, also die Entscheidungsfreiheit über Art, Ort, Zeit und Partner einer sexuellen Handlung. Schutzbefohlene befinden sich in bestimmten Unterordnungs- und Abhängigkeitsverhältnissen. Aufgrund des hierarchischen Charakters ist die Gefahr, sexuellem Fehlverhalten von Autoritätspersonen ausgeliefert zu sein, größer. Erfasst sind Obhutsverhältnisse wie das Anvertraut-Sein zur Erziehung oder das Anvertraut-Sein zur Betreuung der Lebensführung und Abhängigkeitsverhältnisse wie die Unterordnung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Weiter findet das Gesetz Anwendung auf enge soziale und verwandtschaftliche Verhältnisse wie beispielsweise innerhalb einer Patchworkfamilie. Zuletzt sind Jugendliche geschützt, die sich in Einrichtungen zur Erziehung, Bildung und Betreuung befinden.

Missbrauch in Gefängnissen und Krankenhäusern

§174a

Sexueller Mißbrauch von Gefangenen, behördlich Verwahrten oder Kranken und Hilfsbedürftigen in Einrichtungen

(1) Wer sexuelle Handlungen an einer gefangenen oder auf behördliche Anordnung verwahrten Person, die ihm zur Erziehung, Ausbildung, Beaufsichtigung oder Betreuung anvertraut ist, unter Mißbrauch seiner Stellung vornimmt oder an sich von der gefangenen oder verwahrten Person vornehmen läßt oder die gefangene oder verwahrte Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einer dritten Person bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Person, die in einer Einrichtung für kranke oder hilfsbedürftige Menschen aufgenommen und ihm zur Beaufsichtigung oder Betreuung anvertraut ist, dadurch mißbraucht, daß er unter Ausnutzung der Krankheit oder Hilfsbedürftigkeit dieser Person sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen läßt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einer dritten Person bestimmt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

Sexueller Missbrauch an Personen, die sich institutionellen Abhängigkeitsverhältnissen befinden, ist gemäß §174a StGB strafbar. In einer solchen Institution sind die Menschen darauf angewiesen, den übergeordneten Autoritätspersonen zu vertrauen. In dieser Stellung sind sie besonders schutzwürdig. Beispiele sind Gefangene in Justizvollzugsanstalten oder Patienten in Krankenhäusern, Tageskliniken und Pflegeheimen.

Ausnutzung einer Amtsstellung

Sexueller Mißbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung

(1) Wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem Strafverfahren oder an einem Verfahren zur Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung oder einer behördlichen Verwahrung berufen ist, unter Mißbrauch der durch das Verfahren begründeten Abhängigkeit sexuelle Handlungen an demjenigen, gegen den sich das Verfahren richtet, vornimmt oder an sich von dem anderen vornehmen läßt oder die Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einer dritten Person bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Täter des §174b StGB ist ein Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem Strafverfahren, an einem Verfahren zur Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung oder einer behördlichen Verwahrung berufen ist. Strafbar ist eine sexuelle Handlung unter Missbrauch der Abhängigkeit, die durch das Verfahren entsteht. Tatopfer ist die Person, gegen die sich das Verfahren richtet.

Beratung, Behandlung, Betreuung

§174c

Sexueller Mißbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses

(1) Wer sexuelle Handlungen an einer Person, die ihm wegen einer geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung einschließlich einer Suchtkrankheit oder wegen einer körperlichen Krankheit oder Behinderung zur Beratung, Behandlung oder Betreuung anvertraut ist, unter Mißbrauch des Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses vornimmt oder an sich von ihr vornehmen läßt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einer dritten Person bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer Person, die ihm zur psychotherapeutischen Behandlung anvertraut ist, unter Mißbrauch des Behandlungsverhältnisses vornimmt oder an sich von ihr vornehmen läßt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einer dritten Person bestimmt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

Das Opfer ist dem Täter wegen geistiger, seelischer, suchtbedingter oder körperlicher Leiden zur Beratung, Behandlung oder Betreuung anvertraut. Dieses besondere Verhältnis missbraucht der Täter zur sexuellen Handlung hinsichtlich der anvertrauten Person. Strafbar macht sich etwa der Täter, der eine sexuelle Handlung an einer Person, die ihm zur psychotherapeutischen Behandlung anvertraut ist, unter Missbrauch des Behandlungsverhältnisses vornimmt. Ein Missbrauch des besonderen Verhältnisses ist gegeben, wenn der Täter die speziellen Umstände für die sexuelle Handlung ausnutzt, etwa wenn er die Leistung, auf die das Opfer angewiesen ist, von der Vornahme einer sexuellen Handlung abhängig macht.

Sexueller Missbrauch von Jugendlichen

§182

Sexueller Mißbrauch von Jugendlichen

(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung einer Zwangslage

  1. sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
  2. diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird eine Person über achtzehn Jahren bestraft, die eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass sie gegen Entgelt sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.

(3) Eine Person über einundzwanzig Jahre, die eine Person unter sechzehn Jahren dadurch mißbraucht, daß sie

  1. sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen läßt oder
  2. diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,

und dabei die ihr gegenüber fehlende Fähigkeit des Opfers zur sexuellen Selbstbestimmung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 3 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

(6) In den Fällen der Absätze 1 bis 3 kann das Gericht von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn bei Berücksichtigung des Verhaltens der Person, gegen die sich die Tat richtet, das Unrecht der Tat gering ist.

Der Straftatbestand schützt die sexuelle Selbstbestimmung von Jugendlichen. Andes als bei Kindern gibt es keine absolute Altersgrenze, unter der sexueller Kontakt grundsätzlich verboten ist. Jugendlicher ist eine Person, die das 14. Lebensjahr erreicht hat, aber noch nicht 18 Jahre alt ist. Nach der Vorschrift kann sich der Täter in drei verschiedenen Situationen strafbar machen: Ausnutzen einer Zwangslage, sexuelle Handlung gegen Entgelt oder Ausnutzen der fehlenden Fähigkeit zur Selbstbestimmung. Basis aller Tatkonstellationen ist die sexuelle Handlung

In einer Zwangslage befindet sich das Opfer, wenn es in persönlicher oder wirtschaftlicher Bedrängnis ist. Gemeint damit sind Notsituationen, in denen der Jugendliche typischerweise in seiner sexuellen Willensfreiheit beeinträchtigt sein kann. 

Entgelt für eine sexuelle Handlung bedeutet nicht nur die Zahlung von Geld. Umfasst sind auch geldwerte Gegenleistungen wie Essenseinladungen oder Konzertkarten. 

Nimmt eine Person über 21 Jahren eine sexuelle Handlung an einer Person unter sechzehn Jahren vor, gilt: Der sexuelle Kontakt ist strafbar, wenn der Erwachsene dabei die fehlende Fähigkeit des Opfers zur sexuellen Selbstbestimmung ausnutzt. Diese Fähigkeit fehlt, wenn der Jugendliche nach seiner geistigen und sittlichen Reife nicht in der Lage war, die Tragweite der sexuellen Handlung zu verstehen und entsprechende zu handeln. Macht sich der Täter diese Unreife zu nutze, unterfällt er der Strafbarkeit. Anders sieht es aus, wenn zwischen den Beteiligten eine echte Liebesbeziehung mit gegenseitiger Zuneigung besteht: Dies unterfällt nicht dem Straftatbestand.